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Deutschland Bundestagswahl

Der rechte AfD-Rand profitiert von Petrys Schwäche

Politikredakteur
AfD AfD
Teamlösungen ohne zentrale Spitzenfigur sorgen in der AfD nicht nur für innerparteiliche Demokratie
Quelle: Aktivnews-pa/dpa
Die AfD geht das Risiko einer "Spitzen-Mannschaft" für die Bundestagswahl 2017 ein.
  • Ohne eigenen Spitzenkandidaten kann die Partei umso leichter das etablierte Personal der anderen Parteien angreifen.
  • So groß wie die geplante Mannschaft ist das Themenspektrum der Partei bislang nicht.
Warum das wichtig ist:
Ohne Spitzenkandiaten könnten die Freiräume für die Parteirechte noch größer werden.

In einer Hinsicht ist die AfD unter den europäischen Rechtsparteien ein Sonderfall. In personeller Hinsicht. Denn die AfD hat keine zentrale Führungsfigur, die alles dominiert.

In Frankreich gibt es beim Front National (FN) Marine Le Pen, in den Niederlanden Geert Wilders bei der Partij voor de Vrijheid. In Polen läuft bei der PiS alles auf Jaroslaw Kaczynski zu, in der österreichischen FPÖ auf Heinz-Christian Strache.

Hingegen wird die AfD den Bundestagswahlkampf gemäß Vorstandsbeschluss mit einer „Spitzenmannschaft“ bestreiten. Die Distanz zur Personalisierung ist dabei so groß, dass vorerst unklar bleibt, wer zu jener Mannschaft gehören soll. Als gesetzt können Bundessprecherin Frauke Petry sowie Parteivize Alexander Gauland gelten – plus X.

Teamdenken in rechtspopulistischen Parteien nicht üblich

Dieses Teamdenken ist gegenüber dem autoritären Zentrismus anderer rechtspopulistischer Parteien ein beachtliches Experiment. Es birgt Risiken – unter anderem das der verdeckten Machtausübung –, aber auch Chancen.

Etwa die Chance, dass es der Verzicht auf eigene Personalisierung umso leichter macht, die dauerdominanten Personen der Konkurrenz anzugreifen. So begrüßte Petry am Montag in freudiger Ironie Angela Merkels (CDU) erneute Kandidatur fürs Kanzleramt. Als leichte Gegnerin scheint sie Merkel zu empfinden, ist diese doch für Petry die „Politikerin, die das milliardenteure und gefährliche Einwanderungschaos verursacht hat und unter deren Führung die Energiewende an die Wand gefahren wurde“.

Noch lieber wäre es der AfD-Chefin, wenn für die Sozialdemokraten EU-Parlamentspräsident Martin Schulz als Spitzenkandidat anträte, weil Schulz „wie kein anderer Deutscher für das Scheitern der EU“ stehe.

AfD führt Wahlkampf gegen das Personal der Etablierten

Als „Traumduo der großen Koalition“ bezeichnete Petry daher Merkel und Schulz. Hinzuzurechnen ist der von der AfD ebenfalls entschieden abgelehnte Frank-Walter Steinmeier (SPD) als Kandidat fürs Amt des Bundespräsidenten. Merkel, Schulz, Steinmeier – daraus lässt sich ein AfD-Wahlkampf gegen das Personal der Etablierten zimmern, eine durchaus Erfolg versprechende Anti-Hillary-Clinton-Kampagne auf Deutsch. Allerdings ohne einen eigenen Donald Trump.

Dabei war es Petry gewesen, die sich noch im Frühjahr selbst die Rolle der dominant-zentralen Gegenfigur zu den Spitzenleuten der etablierten Parteien zugedacht hatte. Die wohl bekannteste Politikerin der AfD versuchte sich damals vom eigenen Bundesvorstand abzukoppeln.

Sie bemühte sich sogar um etwas Glamour, als sie mit ihrem Lebensgefährten, dem AfD-Europaabgeordneten Marcus Pretzell, der „Bunten“ ein Interview gab. Doch außer Pretzells Lob für „dämonenhaft Schönes“ bei Petry wurde daraus nicht viel.

"Sie hat so etwas dämonenhaft Schönes"

Die AfD-Politiker Marcus Pretzell und Frauke Petry haben in einem Interview mit der „Bunten“ über ihre Liebesbeziehung gesprochen. Er verriet, was ihn ganz besonders an der AfD-Chefin reizt.

Quelle: Die Welt

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Ein heftiger Gegenangriff von Gauland, dem anderen Bundessprecher Jörg Meuthen und dem Thüringer AfD-Chef Björn Höcke fegte Petry zwar nicht hinweg, beendete aber ihre Solokarriere. Jetzt ist Petry Teil der „Spitzenmannschaft“.

Zur Festigung ihres verbliebenen Einflusses hat sie sich gerade einen extrem aussichtsreichen Bundestagswahlkreis gesichert: Sächsische Schweiz / Osterzgebirge, wo sie der AfD-Kreisverband am Wochenende mit 92 Prozent der Stimmen nominierte.

Schon im August 2014, lange vor der Flüchtlingskrise, kamen dort AfD und NPD bei der sächsischen Landtagswahl auf insgesamt mehr als 21 Prozent der Stimmen. Da sollte 2017 für Petry ein Direktmandat drin sein; das ist im Machtgeschiebe einer Bundestagsfraktion nützlich.

Meuthen und Pretzell kandidieren nicht für den Bundestag

Aber es gibt eben auch andere, die sich nicht zurückweisen lassen. Eine wichtige Rolle neben Petry und Gauland dürfte in einer künftigen AfD-Bundestagsfraktion und schon im Wahlkampf Beatrix von Storch spielen. Die will aus dem EU-Parlament in den Bundestag wechseln.

Zu beachten sind weiterhin Alice Weidel, die gerade auf den ersten Listenplatz in Baden-Württemberg gewählt wurde, sowie der bayerische AfD-Vorsitzende Petr Bystron. Definitiv nicht für den Bundestag kandidieren werden von den Prominenteren der Partei lediglich Meuthen und Pretzell.

Hingegen ist noch offen, ob Höcke antritt. Oder sein Vertrauer vom rechten Parteiflügel, André Poggenburg aus Sachsen-Anhalt. Oder beide. Nicht auszuschließen ist weiterhin die Kandidatur des neuen Berliner Fraktionschefs Georg Pazderski.

Dominante Spitzenfiguren contra Spitzenmannschaft

Die Größe dieser Aspirantenriege für den Bundestag eröffnet der AfD die Chance, ein breites Themenspektrum abzudecken. Das läge auch in der Logik des Verzichts auf forcierte Personalisierung. Denn während eine dominante Spitzenfigur wie Donald Trump in den USA um der Person willen gewählt wird und sich manche inhaltliche Unschärfe leisten kann, muss eine „Spitzenmannschaft“-Partei eher inhaltlich agieren.

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Ob aber hierbei die AfD ein breites Themenspektrum abdecken kann, wird sich erst noch in den kommenden Monaten bis zum Wahlprogramm-Parteitag im April zeigen. Bisher jedenfalls ist es in der AfD nicht so, dass viele verschiedene Leute über vieles Verschiedenes reden. Vielmehr sagen sie über weniges Ähnliches – und die Unterschiede zeigen sich vor allem darin, wer am härtesten formuliert.

Die Siegerin des Wochenendes war in diesem Wettbewerb Beatrix von Storch, die nicht einfach wie viele andere Parteifreunde Merkel attackierte, sondern „einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen vielen Toten und der Politik von Frau Merkel“ behauptete.

Ein Viertel würde die AfD wählen

In einer aktuellen Umfrage im Auftrag des MDR kommt die AfD in Sachsen auf ein Rekordergebnis: 25 Prozent der Wähler würde sich für die AfD entscheiden. CDU und SPD verlieren ihre Regierungsmehrheit.

Quelle: Die Welt

In der AfD kein Wettbewerb um konkrete Konzepte

Hingegen gibt es in der Partei keinen erkennbaren Wettbewerb um konkrete Konzepte für das Gesundheitssystem, die Rente und die Steuerpolitik. Dass diese Themengebiete weitgehend unerschlossen sind, liegt dem Vernehmen nach vor allem daran, dass hier die Wirtschaftsliberalen und die Anhänger eines national getönten Sozialdemokratismus einander blockieren. Und gemeinsam fürchten alle, dass jedes konkrete Konzept auf diesen Politikfeldern einen Teil der disparaten AfD-Wählerschaft verprellen könnte.

Daran zeigt sich aber auch, dass der Verzicht der AfD auf eine zentralisierende Personalisierung nicht nur mit dem durchaus vorhandenen Basisdemokratie-Ideal dieser Partei zu tun hat. Sondern auch mit inhaltlicher Uneinigkeit.

Denn abgesehen von den für die AfD zentralen Politikfeldern Asyl, Euro/EU, innere Sicherheit und Kampf gegen Gender-Mainstreaming gibt es viele Gebiete, auf denen die Meinungen so weit auseinandergehen, dass sie nicht von einer einzigen Person vertreten werden können.

Petrys Schwäche nutzt den Rechten

Hinzu kommt das spezielle, aber sehr relevante Interesse, das der rechte Parteiflügel am Verzicht auf eine zentrale Führungsfigur hat. Denn je weniger Macht eine Person an der Spitze hat, umso größer sind die Freiräume für die Rechten.

Entsprechend gibt es in der Partei Warnungen, dass das Fehlen einer alleinigen Spitzenkandidatin – was nach Stand der Dinge nur Petry sein könnte –, zwar mit partizipativer Demokratie begründet, aber faktisch von Parteirechten im eigenen Interesse an möglichst nationalistischer Politik betrieben werde.

AfD gibt Merkel eine Mitschuld am Tod von Flüchtlingen

Die AfD-Politikerin Beatrix von Storch gibt der Bundeskanzlerin eine Mitschuld am Tod von Flüchtlingen auf dem Mittelmeer. „Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen vielen Toten und der Politik von Frau Merkel“.

Quelle: Die Welt

Tatsächlich hat Petrys relative Schwäche den Rechten schon mehrfach genutzt. Etwa als sich der Bundesvorstand im Sinne der Vorsitzenden gegen eine Zusammenarbeit mit Pegida und der Identitären Bewegung aussprach. Diese Beschlüsse sind mittlerweile Makulatur, die Zusammenarbeit von AfD-Rechten mit jenen Gruppen läuft weiter und wird gepflegt. Möglich war dies nicht zuletzt deshalb, weil in der AfD keine Machtworte akzeptiert werden. Schon gar nicht die von Petry.

Teamlösungen mit Nebeneffekten

Das Nachsehen hatte Petry zuletzt auch im Streit mit dem saarländischen Landesverband über angeblich undemokratische Machenschaften sowie eine mögliche Nähe zur NPD. Die Saar-AfD deshalb aufzulösen – was die Bundessprecherin wollte –, untersagte kürzlich das Bundesschiedsgericht der Partei. Und die aus Sicht des Bundesvorstands noch sinnvollste Lösung, nämlich die Verweigerung jeder Unterstützung für den saarländischen Landtagswahlkampf im Frühjahr, hat am Wochenende der Kleine Parteitag der AfD (Konvent) verworfen.

Stattdessen erhalten die Saarländer von der Bundespartei nun sogar 100.000 Euro für ihren Wahlkampf. Vorausgegangen waren öffentliche Forderungen sowohl des rechten Parteiflügels um Höcke als auch der noch rechteren Patriotischen Plattform, wonach es keine Strafmaßnahmen gegen die Saarländer geben dürfe.

Faktisch vorgeführt wurde Petry somit in der Causa Saarland. Einmal mehr zeigt sich, dass Teamlösungen ohne zentrale Spitzenfigur in der AfD nicht nur für innerparteiliche Demokratie sorgen. Sondern auch für Nebeneffekte, die im Interesse lediglich einzelner Gruppen liegen.

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