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Migration Ungarn wirft Flüchtlingshelfern organisiertes Verbrechen vor

Ungarn hält in zwei Wochen ein Referendum über Flüchtlinge ab - und die Regierung weicht keine Handbreit von ihrer harten Linie ab. In Brüssel teilte ihr Sprecher stattdessen gegen EU-Bürger aus.
Ungarischer Regierungssprecher Zoltán Kovács

Ungarischer Regierungssprecher Zoltán Kovács

Foto: ATTILA KISBENEDEK/ AFP

Nach dem Brexit-Votum bemüht sich die EU um Einigkeit - doch Ungarns Regierung verschärft in der Flüchtlingsdebatte jetzt den Ton. Zoltán Kovács, Sprecher von Ministerpräsident Viktor Orbán, erklärte am Montag in Brüssel vor Journalisten, dass Budapest bei seiner bisherigen Linie bleibe - und warf anderen Mitgliedsländern Versagen, Naivität und ihren Bürgern gar organisierte Kriminalität vor.

Im September 2015 hatten die EU-Innenminister mehrheitlich entschieden, 160.000 Flüchtlinge in der EU zu verteilen - gegen die Stimmen Ungarns und anderer osteuropäischer Länder. "Wir betrachten das nach wie vor als ungesetzlich", sagte Kovács. Er sprach mehrmals von einer Geheim-Entscheidung. Die Minister hätten die nationalen Parlamente und sogar die Staats- und Regierungschefs hintergangen. Denn die hätten zuvor betont, eine Aufnahme von Flüchtlingen werde nur freiwillig erfolgen.

Die Frage, ob er wirklich glaube, dass die Innenminister sich über ihre eigenen Chefs hinweggesetzt hätten, bejahte Kovács: "Mit dieser Argumentation ziehen wir vor Gericht." Ungarn hat vor dem Europäischen Gerichtshof Klage gegen die Entscheidung des Ministerrats zur Flüchtlingsverteilung eingereicht.

Zudem lässt Orbán in zwei Wochen ein Referendum abhalten. Die Frage an die ungarischen Bürger lautet: "Wollen Sie der EU gestatten, Nicht-Ungarn nach Ungarn umzusiedeln, ohne dass die Nationalversammlung zustimmt?" Es gilt als sicher, dass eine klare Mehrheit mit Nein stimmen wird. Kovács ließ durchblicken, dass die Volksabstimmung zu neuen Gesetzen führen wird, die neue Konflikte mit der EU provozieren könnten. Details verriet er nicht.

Kovács behauptet Zusammenhang mit Terror von Paris und Brüssel

Ungarn habe richtig gehandelt, als es an seinen Außengrenzen Zäune gebaut hat. Dass noch immer Migranten in großer Zahl in die EU kämen, sei "ein ernster Bruch der Sicherheit". "Mit der illegalen Migration kam der Terrorismus", sagte Kovács.

Im September 2015 machten sich zahlreiche Menschen zu Fuß von Budapest nach Wien auf. Wenige Tage später habe ein "Mob von Hunderten, vielleicht Tausenden illegaler Migranten" versucht, auf ungarisches Gebiet vorzudringen. Kovács behauptete einen direkten Zusammenhang mit den Terroranschlägen von Paris im November 2015 und Brüssel im März 2016. Man wisse inzwischen, dass die "Hauptorganisatoren dieser beiden Ereignisse in Budapest" auch einige der Attentäter "aufgelesen" hätten. "Das war dieselbe terroristische Organisation, die Menschen geholfen hat, in die EU zu kommen", meinte Kovács. Dass 12 der 15 Attentäter schon in Belgien und Frankreich zur Welt gekommen waren, erwähnte Kovács freilich nicht.

Ungarn habe sich in der Krise im Sommer 2015 richtig verhalten. "Für die Defizite anderer Länder sind wir nicht verantwortlich." Griechenland etwa habe beim Schutz der EU-Außengrenzen versagt, so Kovács. "Kroatien ist im vergangenen Jahr unter dem Druck der Migration innerhalb eines Tages zusammengebrochen."

Ungarn sei mit der Situation allein gelassen worden. "Die Regierungen in Deutschland und Österreich wussten alles", so Kovács. Auch seien österreichische Bürger mit "Hunderten Autos" über die Grenze nach Ungarn gekommen, um Migranten nach Österreich und Deutschland zu bringen. "Wenn man so will, war das Menschenschmuggel", sagte Kovács. "Bürger von anderen EU-Staaten haben auf ungarischem Boden organisiertes Verbrechen betrieben."

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