Politik

Ex-Soldaten und ein Phantom Die AfD-Truppe von Berlin

Die AfD zieht mit 25 Politikern ins Berliner Abgeordnetenhaus, 20 sind Listen- und 5 Direktkandidaten.

Die AfD zieht mit 25 Politikern ins Berliner Abgeordnetenhaus, 20 sind Listen- und 5 Direktkandidaten.

(Foto: dpa)

Erstmals ziehen AfD-Politiker in das Berliner Abgeordnetenhaus ein. Die Landespartei gilt als vergleichsweise moderat, doch ist sie das wirklich? Einige Kandidaten lassen daran Zweifel aufkommen.

Gefühl als Realität: Pazderski am Tag nach der Wahl.

Gefühl als Realität: Pazderski am Tag nach der Wahl.

(Foto: dpa)

Der bekannteste AfD-Politiker, der nun ins Abgeordnetenhaus zieht, ist Spitzenkandidat Georg Pazderski. Er gilt als das freundliche Gesicht der Partei, was er auch in seiner ersten Pressekonferenz nach der Wahl deutlich macht: "Wir werden keine Fundamentalopposition sein", erklärt der ehemalige Berufssoldat. Der Sohn eines Polen bezeichnet sich als "Kosmopoliten", als Berufssoldat arbeitete er viele Jahre für die Bundeswehr im Ausland, er lebte in Brüssel, Tampa und Lissabon. Im Wahlkampf zeigte er sich betont zurückhaltend. Als sich Parteichefin Frauke Petry für einen entspannten Umgang mit dem Begriff "völkisch" aussprach, nannte er das "absolut abwegig".

Doch zückte auch er im Wahlkampf die Flüchtlingskarte. "Eine Integration von Flüchtlingen soll nicht stattfinden", forderte Pazderski. Zugleich erklärt er, dass die Flüchtlinge bis zu ihrer Rückkehr ins eigene Land gut untergebracht werden müssten. Der ehemalige Oberst im Generalstab verdeutlicht, was den Erfolg der AfD ausmacht: "Was man fühlt, ist auch Realität", sagte er in einer RBB-Debatte zu Sicherheitsrisiken durch Flüchtlinge. Ob er künftig den Fraktionsvorsitz übernimmt, ist unklar. Schließlich hat Pazderski noch höherfliegende Pläne: Im nächsten Jahr will er in den Bundestag wechseln.

Auch Hans-Joachim Berg soll sich Hoffnungen auf den Fraktionsvorsitz machen. Der Vorsitzende des mächtigsten und einflussreichsten Bezirksverbands der AfD in Steglitz-Zehlendorf gilt als Strippenzieher der Partei, der auch Pazderski mit als Landesvorsitzenden aufgebaut haben soll. Den politischen Betrieb kennt er gut. Bis zu seiner Pensionierung arbeitete der Jurist als Ministerialrat in der Bundestagsverwaltung, zwischenzeitlich war er persönlicher Referent von Alfred Dregger. Der CDU, deren Mitglied er fast 40 Jahre war, wirft er einen schleichenden Substanzverlust vor. "Die CDU hat sich von mir entfernt", sagt er – und gibt damit ein weitverbreitetes Gefühl von enttäuschten CDU-Wählern wider. Auch er unterstützt den Anti-Islam-Kurs der AfD im Bund: "Der Islam, wie er sich selbst versteht, ist mit dem Grundgesetz nicht vereinbar."

Landespressesprecher der AfD ist Ronald Gläser. Auch er gehörte lange einer anderen Partei an – der FDP, aus der er 2007 austrat. "Da hätte ich nicht gedacht, dass ich nochmal in eine Partei eintrete." Bereits als FDP-Mitglied fiel er durch antisemitische Kommentare auf, wie die Initiative "Apabiz", die sich mit dem Thema Rechtsextremismus beschäftigt und vom Berliner Senat unterstützt wird, berichtet. 2003 äußerte Gläser im "Spiegel" den Verdacht, dass Jürgen Möllemann vom "Geheimdienst eines kleinen Landes im Nahen Osten" ermordet worden sei. Bisher arbeitete er als Redakteur der rechtsgerichteten Wochenzeitung "Junge Freiheit" und als Autor für das radikallibertäre Magazin "Eigentümlich frei". Unter anderem schrieb er zu "Zensur in Deutschland damals und heute", der Ausgrenzung von "Klimaleugnern" und Pegida. Nach dem Anschlag auf das französische Satiremagazin "Charlie Hebdo" forderte er, dass der Westen "die Konsequenzen aus dem Scheitern der Multikulturellen Gesellschaft ziehen" müsse.

Mit Thorsten Weiß zieht ein weiterer ehemaliger Soldat für die AfD ins Abgeordnetenhaus. Nach Angaben der "taz" hat er die Bundeswehr verlassen, weil ihm "die Truppe zu lasch" gewesen sei. Der BWL-Student versteht sich gut mit dem rechtsgerichteten Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke. Weiß fordert, dass an Schulen die Nationalhymne gesungen werden soll und schimpft über die "links-grün-versifften Gesinnungsideologen". Laut Zeit Online fungiert er als Scharnier zu radikalrechten Nachwuchsgruppen wie der Identitären Bewegung. Gemeinsam mit deren Anhängern trat er im Februar bei einer Veranstaltung in Zossen auf, wo unter anderem Slogans gegen Asylantenheime skandiert wurden.

Eine klare Sprache pflegt auch der gelernte Baumschulgärtner Hugh Bronson. Der Deutsch-Brite ist stellvertretender Sprecher des Landesverbandes und hieß ursprünglich Uwe Brunßen. Er kritisiert, dass Deutschland "in der Eurozone" gefangen sei und erklärt zur Flüchtlingspolitik der Bundesregierung: "Unsere Kernaufgabe ist die Völkerwanderung." Kürzlich verglich er Todeszüge nach Auschwitz mit Sonderzügen für Flüchtlinge. "Extreme sind urdeutsch, wie Menschen in Zügen: Entweder Auschwitz oder Refugees Welcome. Beides falsch!" Der Tweet ist mittlerweile gelöscht.

Zum rechts-patriotischen Flügel der AfD gehört Andreas Wild, der stellvertretende Bezirksvorsitzende in Steglitz-Zehlendorf. Das einstige CDU- und FDP-Mitglied sorgte bei einer Rede in Erfurt für Aufsehen, als er dafür plädierte, Flüchtlinge "in spärlich besiedelten Landstrichen" unterzubringen. "Dafür genügen ein paar Quadratkilometer Heide, wir brauchen für die vorübergehenden Flüchtlingslager keine 94 Milliarden Euro. Wir brauchen dafür Bauholz, Hämmer, Sägen und Nägel!"

Im Vergleich hierzu wirkt Schatzmeister Frank-Christian Hansel wie das sanfte Gesicht der Partei. Er könnte in der neuen Fraktion zum Parlamentarischen Geschäftsführer aufsteigen. "Das Projekt AfD beginnt erst. 35 Jahre liegen vor uns, die die 'Dritte Republik ' prägen werden", schrieb er nach dem Wahlsieg in Berlin. Hansel gehörte eine Weile der SPD an, wurde 2013 Gründungsmitglied der AfD und saß auch in der Landtagsfaktion der AfD in Brandenburg. Er gilt als Vertreter des liberalen Flügels: Zumindest lehnt er ein Kopftuchverbot für Schüler ab und wendet sich gegen eine Abschaffung des Mindestlohns. "Man muss nicht immer einer Meinung mit seiner Partei sein", begründet er seine abweichende Ansicht. Auch sonst gilt er in der AfD, die bisweilen mit Ausfällen gegen Homosexuelle auffällt, als bunter Vogel. So macht er kein Geheimnis daraus, dass er schwul ist.

Zum liberaleren Spektrum der AfD gehört auch Kristin Brinker. Sie ist die Frau des als moderat geltenden Ex-Landeschef Günter Brinker, den Pazderski Anfang des Jahres zu Fall gebracht hatte. Laut "Tagesspiegel" könnte sie auch stellvertretende Vorsitzende werden. Sie trat besonders wegen der Euro-Rettungspolitik in die AfD ein. Sie ist eine von zwei Frauen, die über die AfD-Landesliste ins Abgeordnetenhaus einziehen. Die andere heißt Jeanette Auricht und ist Kandidatin von Marzahn-Hellerdorf. Sie wendet sich gegen Frauenquoten, da diese nur Mittelmaß fördern würden.

Eine der umstrittensten Figuren in der Berliner AfD ist Kay Nerstheimer. Er zieht als einer von fünf Direktkandidaten der AfD ins Abgeordnetenhaus ein. Der Gewinner des Wahlkreis Lichtenberg 1 war Berliner Chef der "German Defence League", die der Bremer Verfassungsschutz als rechtsextremistisch und islamfeindlich einstuft. Als "Straßenaktionen" veranstaltet sie unter anderem Aufmärsche gegen Koranverteilungen und rekrutiert sich laut "Berliner Zeitung" gezielt unter rechten Hooligans. 2012 kündigte Nerstheimer an, dass er die "German Defence League" zu einer Miliz ausbauen wollte. Inzwischen läuft gegen ihn ein Parteiausschlussverfahren, doch Pazderski kündigte nach der Wahl an, dass die AfD hier "eine vernünftige und gute Lösung" finden werde. Nerstheimer sei aus der "Geman Defence League "schon längst ausgetreten", als diese durch den Verfassungsschutz in Bremen überwacht worden sei. Wie auch immer: Jedenfalls bezeichnet Nerstheimer laut "Zeit Online" Schwarze auch mal als "Bimbo" und verteidigt Geiselerschießungen durch SS-Leute als rechtmäßig.

Ein weiterer Direktkandidat ist Christian Buchholz aus dem Wahlbezirk Pankow 1. In ihrem Artikel "Phantom für Pankow" berichten die "Prenzlauer Berg Nachrichten", dass es weder auf der AfD-Homepage noch anderswo im Internet verlässliche Angaben über ihn gebe. Bislang ist er jedenfalls nirgends mit einem Bild abgebildet, da er nach eigenen Angaben um seine Sicherheit fürchtet. Früher oder später wird er als gewählter Volksvertreter allerdings nicht darum herumkommen, sein Gesicht zu zeigen.

Quelle: ntv.de

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